Für nicht wenige Menschen bedeutet Fotografie das Auslösen einer Kamera, Bild wird angeschaut, fertig. Der Weg der Photographie ist jedoch wesentlich länger. Bis aus einem Foto ein Bild wird, kann es Jahre dauern. Hier möchte ich Ihnen meine Sichtweise der Photographie näher bringen.
Seit Menschengedenken verändert die Photographie unsere Weltanschauung. Während die Gilde der Maler ihre Interpretation des Sehens aufzeigten, zeigte die Photographie von Beginn an die für unsere Augen wahrnehmbare Realität. Wir können nicht in ein Foto oder Bild etwas wegretuschieren, nur weil es uns nicht gefällt. Photographie war und ist immer ein Spiegelbild der Gesellschaft. Und desöfteren ein sehr unangenehmes Spiegelbild. Aus alten Überlieferungen wird von heftigen Kämpfen zwischen der Maler- u. Photographengilde berichtet. Bis heute hat sich daran nichts geändert, auch wenn wir nicht mehr zu den Waffen greifen.
Die Werbekampagne in den 90ern von Benetton hielt unserer Gesellschaft den Spiegel brutal vor Augen. Und wiederum zeigte sich, wie zwiespältig unsere Gesellschaft eigentlich ist. Zur Erinnerung: der Fotograf von Benetton, Oliviero Toscani, fotografierte z. B. blutgetränkte T-Shirts von Kindern mit zu sehenden Einschusslöchern. In Jugoslawien herrschte Krieg, und auf großen Plakaten sprangen uns plötzlich Fotos entgegen, die wir nicht sehen wollten. Die Bildinformation war klar und deutlich formuliert: seht her, Ihr ermordet Frauen und Kinder. Schämt Euch.
Die Gesellschaft hat sich geschämt. Allerdings für den Fotografen von Benetton. Die Kampagne musste aufgrund großer Proteste abgesetzt werden. In Printmedien wurde dann auch gerne von Skandalbildern geredet. Nur, wie sollen wir dann den Krieg in Irak und Afghanistan bezeichnen? Spaßveranstaltung? Verstehen Sie den Zwiespalt zwischen unserer Gesellschaft, Photographie und der Realität?
Wird Photographie zensiert, zensieren wir uns selbst. Wir reden und schreiben mit gespaltener Zunge. Aber hatten Sie und ich nicht unseren Kindern erzählt, man soll nicht lügen, klauen und brandschatzen?
Die Kunst der Photographie ist ein Spagat zwischen realer Akzeptanz und der Freiheit des Bildes. Er gelingt nicht immer.