Fotografie(ren) ist zunächst einmal völlig simpel. Da wird ein Knopf gedrückt, es ist ein Geräusch zu hören, und alle bewundern das tolle Foto. Das ist jedoch keine Photographie, sondern unfähiges betätigen einer elektro-mechanischen Einrichtung, welche zufälligerweise ein Foto produziert.
Wenn ich als Photograph an einem Workshop teilnehme, wird in fast 90% der Fälle nicht über das Foto/Bild gesprochen, sondern über die ach so tolle Kamera. Kommt man dann ins Gespräch, und ich weise daraufhin das ich analog photographiere, ernte ich grundsätzlich freundliche, aber mitleidige Kommentare. Das heisst letztendlich, dass nicht mehr das Motiv im Vordergrund steht, sondern die Kamera. Das ist KEINE Photographie, sondern Irrsinn und einfach nur doof.
Schauen wir uns dann die zahlreichen Internetforen an, so finden wir zahlreiche Fotografen mit noch zahlreicheren Erläuterungen, warum fotografiert wird. Oftmals ist zu lesen “…mich interessieren Menschen…”, “…Licht und Schatten als Herausforderung…” usw. usw. usw.. Schaut man sich dann die Fotos an, landet man wieder auf dem Boden der Tatsachen. Das x-te Bild mit Weichzeichner, keine Lichtführung, keine Modelführung, volle Tiefenschärfe (immer wieder schön bei den selbst ernannten Hochzeitsfotografen zu sehen), kein Bildkonzept, geschweige denn Bildinformation. Hinzu kommt die digitale Bildbearbeitung, welche vertuschen soll das hier zwischen Versuch und Irrtum geknipst wurde. Fotos für die Tonne, das Papier nicht wert.
Photographie ist mehr. Sie ist umfassender, weitreichender, spannungsgeladen und vor allem ohne Blendwerk. Aus der Photographie heraus entstehen Bilder, keine Fotos. Sie besitzen das, was annähernd alle zu vergessen scheinen: sie haben uns etwas zu erzählen. Schauen Sie sich einmal dieses Foto an:
Es ist der Bildaufbau für eine Bildstrecke mit dem Schwerpunkt “Alkoholismus”. Aufgabenstellung war eine Darstellung ohne Betroffene. Die Headline lautet “Alkohol macht vor allem Eines: einsam”.
Durch die Platzierung der einzelnen Stilelemente entsteht ein nicht schlüssiges Bild. So sind zwei Platzdeckchen zu sehen, aber nur ein Teller und eine Gabel. Dafür sieht man jedoch noch eine Espressotasse wekche sich nicht zuordnen lässt, da der Tassengriff in eine andere als erwartete Richtung zeigt. Wenn Sie das Foto ansehen werden Sie feststellen, das genau diese Espressotasse das störende, jedoch gleichzeitig dokumentierende, Element ist.
Ohne Bildbeschreibung kann dieses Foto nicht existieren. Alle Bildbewerter lehnten eine Veröffentlichung ohne Bildbeschreibung gnadenlos ab. Sie konnten nichts mit dem Foto anfangen. Erst als klar war wofür der Bildaufbau gewählt wurde, konnte das Foto seine Bildinformation übertragen.
Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeiten liegt im Portraitbereich. Und damit Sie Photographie verstehen, nehme ich aus meiner Portraitgalerie einmal die Bilder von Jürgen Drews, Olaf Henning, Tommy Watzke und Andreas Lebbing. Jeder für sich hat seine eigene Geschichte. Wie packt man aber nun ein Thema in ein Bild ohne irgendeinen diffamierend darzustellen ? Natürlich haben wir Bilder im Kopf wenn wir die Namen Drews oder Henning hören. Und ehrlich gesagt: diese Bilder finde ich einfach nur grausam. Ich nahm mir fest vor Aufnahmen zu machen, welche so noch keiner gemacht hat. Dafür brauchte ich aber ein Thema.
Ungewollt warf man mir ein Thema vor die Füße als alle Beteiligten aufs Pferd stiegen. Das fotografische Thema stand fest. The Heart of Soul. Schauen Sie sich die Bilder in Ruhe an. Erkennen Sie das Jürgen Drews gerade seinen Song “Ein Bett im Kornfeld” singt? Oder Tommy Watzke Karnevalslieder vorträgt? Sicherlich nicht. Alle bisherigen Gäste meines Studios betrachteten die Bilder in der Vergrößerung und zeigten sich beeindruckt von der bildlichen Darstellung. Es ist nicht der König von Mallorca oder der Lassosong der hier rüber kommt. Auch nicht die leicht schmalzigen Songs von Andreas Lebbing und Tommy Watzke. Oder erkennen Sie das Olaf Henning mit schwerster Grippe und vollgepumpt mit Medikamenten auf der Bühne steht? Wahrscheinlich auch das nicht. So wie sie alle sind habe ich sie fotografiert: sympathische Schelme, Anheizer, Freunde, ganze Kerle. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und vor allem ohne jegliche digitale Bearbeitung.
Verstehen Sie Photographie?